Gedichte

Hier sind die Gedichte in voller Länge aufgeführt. Auf den Skulpturen sind jeweils die kursiven Abschnitte eingekerbt.

Eingangsgefäss

Waa wiiter
En Hauptsach isch: Du bliibscht nid stahn und teichscht
a ds Zil bim Firersgahn.
Peter Wyss

1. Schule

Grau, treuer Freund, ist alle Theorie,
Und grün des Lebens goldener Baum.
J.W. Goethe

2. Verbauungsarbeiter

Wär fir andri leuft und springt,
mengisch dräckig Schueh heinbringd.
Peter Wyss

3. Landwirtschaft

We t’willt, das eppis wachse tued,
chehr d’Äärden um und chehr sa gued,
wirf Saammen drin, mach’s frommerwiis,
und teck ne zue mid leubem Fliis.
Albert Streich

Und wen der Chiiden eis errinnd,
biet Hand und Häärz ihm voor em Wind,
das är am eerschte jjunge Tag
im ruuche Lluft erstarche mmag.

Er danked der’s! ’s liid Sägen drin.

Der Herrgott hilft de wwiiterhin.

4. Freiheit

Wo die Felsenlager stehen,
Sich des Schnees Daunen blähen,
Auf des Chimborasso Höhen,
Ist der Junge Strahl erwacht;
Regt und dehnt die ros’gen Glieder,
Schüttelt dann sein Goldgefieder,
Mit dem Flimmerauge nieder
Blinzt er in des Tales Schacht.

H ö r s t du, wie es fällt und steigt?
F ü h l s t du, wie es um dich streicht?
Dringt zu dir im weichen Duft
Nicht der Himmelsodem – Luft?

Ins frische Land der Jäger tritt:
„Gegrüsst du fröhlicher Morgen!
Gegrüsst du Sonn, mit dem leichten Schritt
Wir beiden ziehn ohne Sorgen.
Und dreimal gegrüsst mein Geselle Wind,
Der stets mir wandelt zur Seite,
Im Walde flüstert durch Blätter lind,
Zur Höh gibt springend Geleite.
Und hat die Gems, das listige Tier,
mich verlockt in ihr zackiges Felsrevier,

Wie sind wir drei dann so ganz allein,
Du, Luft, und ich und der uralte Stein!
Annette von Dorste-Hülshoff

5. Naturschutz

Die Städte aber wollen nur das Ihre
und reissen alles mit in ihren Lauf.
Wie hohles Holz zerbrechen sie die Tiere
und brauchen viele Völker brennend auf.
Rainer Maria Rilke

6. Familie

Leis auf zarten Füssen naht es,
vor dem Schlagen wie ein Fächeln:
Horch, o Seele, meines Rates,
lass dir Glück und Tröstung lächeln –:

Die in Liebe dir verbunden,
werden immer um dich bleiben,
werden klein und grosse Runden
treugesellt mit dir beschreiben.
Christian Morgenstern

Und sie werden an dir bauen,
unverwandt, wie du an ihnen, –
und, erwacht zu Einem Schauen,
werdet ihr wetteifernd dienen!

7. Behüten

Von guten Mächten wunderbar geborgen,
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist mit uns am Abend und am Morgen,
und ganz gewiss an jedem neuen Tag.
Dietrich Bonhoeffer

8. Aussicht

Warum sieht der Mensch die Dinge nicht.
Er steht selber im Wege: er verdeckt die Dinge.
Friedrich Nietzsche

9. Feste feiern

Arm am Beutel, krank am Herzen,
Schleppt’ ich meine langen Tage.
Armut ist die grösste Plage,
Reichtum ist das höchste Gut!
Und, zu enden meine Schmerzen,
Ging ich einen Schatz zu graben.
Meine Seele sollst du haben!
Schrieb ich hin mit eignem Blut.

Und so zog ich Kreis’ um kreise,
Stellte wunderbare Flammen,
Kraut und Knochenwerk zusammen:
Die Beschwörung war vollbracht.
Und auf die gelernte Weise
Grub ich nach dem alten Schatze
Auf dem angezeigten Platze:
Schwarz und stürmisch war die Nacht.

Und ich sah ein Licht von weiten,
Und es kam gleich einem Sterne
Hinten aus der fernsten Ferne,
Eben als es zwölfe schlug.
Und da galt kein Vorbereiten.
Heller ward’s mit einemmale
Von dem Glanz der vollen Schale,
Die ein schöner Knabe trug.

Holde Augen sah ich blinken,
Unter dichtem Blumenkranze;
In des Trankes Himmelsglanze
Trat er in den Kreis herein.
Und er hiess mich freundliche trinken;
Und ich dacht’: es kann der Knabe
Mit der schönen lichten Gabe
Wahrlich nicht der Böse sein.

Trinke Mut des reinen Lebens!
Dann verstehst du die Belehrung,
Kommst, mit ängstlicher Beschwörung,
Nicht zurück an diesen Ort.
Grabe hier nicht mehr vergebens.

Tages Arbeit! Abends Gäste!
Saure Wochen! Frohe Feste!
Sei dein künftig Zauberwort.
J.W. Goethe

10. Ruhe, Besinnung

Stille, Stille… nur des Baches
fernes Rauschen in der Kluft
und des Abendwindes schwaches
Flügeln durch die helle Luft.
Christian Morgenstern

Wettertanne ruht und feiert…
Gipfelgold vergeistert sacht…
Und ein zart Gewölk entschleiert
zögernd das Gestirn der Nacht.

11. Weitsicht

was üs
noch isch
hend mir gärn
aber mängisch
isch en Wiitsicht
au wichtig
Emil

12. + 13. Kindheit

Muetti, gscheu, ’s tued sunnellen
waarm, so waarm am Rein;
mag i nimme nunnellen,
mecht i gen buechwunnellen;
bringen alli hein!
Albert Streich

Muetti, gscheu, ’s tued sunnellen
Hindrem Huus am Rein;
cheun i nimma nunnelen,
mecht i gen buechwunnellen,
hinder ds Huus echlein.

Blau und root und wiiss siis schoon
usem Leub im Waald
undrem Sueggi firhachon,
Uustag wird’s drum baald!

14. Flora

Wüsst ich genau, wie dies Blatt aus seinem
Zweig herauskam, schwieg ich auf ewig
Zeit still: denn ich wüsste genug.
H. v. Hoffmannsthal